In der Weiterführung der Arbeit „Within bounds“ beschäftigt sich Havin Al-Sindy mit der Sichtbarmachung und Beschreibung von Grenzziehungen, deren Ursprung, Quelle und Herkunft für uns Betrachter jedoch verborgen bleibt. Wir sehen, wie sich Al-Sindy durch unbestimmbares Wasser bewegt, sich in dieses temporär einschreibt, ohne jedoch greifbare Einschätzungen über dessen Ausmaße abgeben oder verifizieren zu können, wo sich dieses Gewässer befindet. Die von Al-Sindy durchgeführte Handlung könnte sich in einer unendlichen Vielzahl von Seen, Flüssen und Zuflüssen der ganzen Welt zugetragen haben. Sicher scheint jedoch, dass es sich um ein bereits gekipptes Gewässer handelt, lt. Wikipedia „eine plötzliche, katastrophale Zustandsveränderung eines Gewässers durch Sauerstoffmangel“, die uns durch den grünen Bewuchs der undurchschaubaren Wasseroberfläche verdeutlicht wird.
In diesem Gewässer entnimmt Al-Sindy Wasserproben, deren Präsentationsform in Reagenzgläsern uns eine natürlich erscheinende Grenzziehung vor Augen führt, deren Ursprung uns jedoch, wie deren Herkunft, verborgen bleibt. Bewegen wir die Gläser, wie bereits Al-Sindy die Wasseroberfläche zeichnerisch manipulierte, entstehen und verschwimmen beobachtbare Trennungslinien, die uns nicht zuletzt auch an gesellschaftliche, kulturelle und daher fingierte Grenzziehungen denken lassen: Etwa Ländergrenzen, die durch historische Gegebenheiten statisch, festgefügt und wie in Zement gegossen scheinen, verschwimmen bei näherer Betrachtung. Eine Grenze mag durch Zäune, Hinweisschilder oder Grenzposten markiert sein, die in diesem Zusammenhang zu beschützende, gar zu verteidigende Grenze jedoch bleibt ungreifbar und lediglich unserer Imagination zugänglich. Solange sich diese zu Land befindet. Denn das Mittelmeer zwischen Europa und Nordafrika ist zu einer physisch fassbaren, fast tagtäglich tödlichen Grenze avanciert, deren unüberwindbare Distanz eigentlich nicht mehr als Grenzziehung im Sinne einer linearen Trennungslinie fassbar wird.
Etwas zu begrenzen, abzugrenzen oder einzugrenzen – ob physischer oder psychischer Natur – ist Teil unseres alltäglichen Lebens, allein schon, wenn wir unsere Wohnungstür schließen und uns dadurch vom öffentlichen Raum abgrenzen. Al-Sindy führt uns dies in ihrer Arbeit deutlich vor Augen und lässt uns gleichzeitig erfahren, wie wir diese Grenzen durch unser persönliches privates Handeln zum Verschwimmen bringen können.
Havin Al Sindy, CV
Geboren 1986 in Zaxo, Irak,
Lebt und arbeitet in Stuttgart und Düsseldorf, DE
Havin Al-Sindy und ihre Arbeiten bewegen sich im Feld der Konzeptkunst und Malerei. Ihr Œuvre besteht aus der Auseinandersetzung mit physischen, biologischen und chemischen Phänomenen, welche wissenschaftlich in ihrer Struktur untersucht und dann gestalterisch verarbeitet werden. Ihr Arbeitskomplex zum Thema Erinnerungen bestechen durch den Einbezug des Betrachters und das Verrücken und Entorten dieser Erfahrung von ihrem zeitlichen und räumlichen Ursprung in die Gegenwart. Dabei bedient sie sich performativer Mittel, sowie traditionellen Medien wie Lehm, Acryl- und Ölfarben, aber auch neuere Medien wie Video und Virtual-Reality.
Ausstellungen:
2019:
— Vehement, Meisterschüler*innen Ausstellung, Villa Merkel Esslingen, DE
— Plastik-Blume, Videoarbeit/Ausstellung und Lesung, Kooperation mit dem Literaturhaus Köln, DE — Körper im Raum, kuratorische Tätigkeit, Ausstellungsplanung für Präsentation von 432 Schüler*innen- Kunstwerken, Schmachtendorf /Oberhausen, DE
— Shots und Chai, Ausstellung und Lesung, Kooperation mit dem Literaturbüro Ruhr, Herne/ Essen / Buchoum, DE
2016:
— Zwischen zwei Welten, kuratorische Tätigkeit, Ausstellungsplanung für Präsentation von 180 Schüler*innen- Kunstwerken, Heinrich- Böll-Gesamtschule Oberhausen 2016
2015:
— Die Duisburger Akzente, kuratorische Tätigkeit, Ausstellung von Malerei auf Papier, in Zusammenarbeit mit Zugewanderten, Duisburg, DE
— Ein Boot in der Kirche, kuratorische Tätigkeit mit Angela Schmitz, St. Joseph Kirche, Duisburg, DE
2014
— Kunst im Ludwigsturm, kuratorische Tätigkeit, Ausstellung von Installation/Video/Zeichnung, Duisburg ,DE
— Zwischen Kitsch und Trödel, Platzhirsch am Gemarkenplatz, Essen,DE
— Fingerübung im ver.di-Bildungszentrum Mosbach
— Resultate-Ausstellungen an der Universität Duisburg-Essen
2012/2013, 2014 und 2015
Werkangaben
Within bounds, 2019/2020
Videoinstallation: 3:59 Min, Wasserobjekte und Malerei: Acryl und Öl auf Papier
hier geht es zu Havin Al-Sindys Arbeiten in der Ausstellung WEITHIN